Der erste Artikel unserer Serie "Was uns antreibt". Die Artikel sind in der HANSA Zeitschrift, als gekürzter Online Artikel bei der HANSA und in voller Länge auf unserer Website zu finden.
Was uns antreibt – Langstreckenverkehr in der Binnenschifffahrt bildet die Brücke zur Küste
Die Schifffahrt steht vor einem Paradigmenwechsel: Um den Vorgaben des Pariser Abkommens gerecht zu werden und die ambitionierten Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen, muss die Branche bis 2040 ihre CO₂-Emissionen signifikant senken.
Neu- und Umbauten bedingen hohe Investitionskosten, bieten aber gleichzeitig die Möglichkeit, fossile Kraftstoffe hinter sich zu lassen. Die Planung der Schifffahrtsrouten wird immer abhängiger von der Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe, welche den Schlüssel für eine umweltfreundliche Schifffahrt bilden.
Egal ob Binnen-, Küsten- oder Seeschiffe: Der „eine perfekte Treibstoff“ für unsere Zukunft lässt sich nicht trivial spezifizieren. Logistik- und Ladeinfrastruktur, das Fahrprofil, der Betreiber selbst und die Abmessungen des Fahrzeugs spielen die entscheidenden Rollen bei der Wahl des Energieträgers.
Langstrecken auf Binnengewässern können zum einen auf Kanalfahrten unter geringem Energieeinsatz durchfahren werden, während zum anderen gegen schnell strömende Flüsse ein hoher Energiebedarf entsteht. Seeschiffe hingegen verkehren meist mit gesteigertem Energieeinsatz über lange Strecken und sind deutlich stärkeren Wetter- und Welleneinflüssen ausgesetzt. In beiden Fällen ist es möglich, verschiedene innovative Energieträger in ihrem optimalen Betriebspunkt und kombiniert in einem hybriden System einzusetzen.
Diese unterschiedlichen Herausforderungen betrachtet unser Designprozess. Für jedes Schiff werden die genauen Fahrprofile und Umweltgegebenheiten genau untersucht, um das bestmögliche Antriebskonzept zu ermitteln. Der Fokus liegt hier auf modularen Systemen, die in Zukunft einen vollständig emissionsfreien Betrieb ermöglichen. Dabei können die Antriebssysteme sowohl bei Neubauten als auch in Bestandsschiffe integriert werden.
Das für Binnenschiffe beschriebene Betriebsprofil durften wir auf einem Frachtschiff mit einem H2-Batterie-Diesel-Hybriden Antriebssystem realisieren. Die für die Kanalfahrten benötigte Energie wird dabei vollständig aus der Batterie entnommen, welche im Bedarfsfall gleichzeitig durch H2-Brennstoffzellen nachgeladen wird. Die Diesel-Gensets werden bei Volllastbedarf hinzugeschaltet. Derzeit wird die Praktikabilität dieses Gesamtsystems im Realbetrieb getestet, was einen wichtigen Grundstein für die Verwendung von H2-Brennstoffzellen auf Binnenschiffen legt. Modularität ist ebenfalls gegeben: Es können jederzeit neue Energiequellen und Energieverbraucher integriert werden. Diese zukunftssichere Auslegung ermöglicht dem Schiff in den Umstieg auf einen emissionsfreien Antrieb.
Auf einem Seeschiff könnte nach Anpassung an das jeweilige Fahrprofil ein ähnliches System eingesetzt werden. Auf der Langstrecke ist der Einsatz von Batterien zur Übernahme von Lastspitzen sinnvoll. Brennstoffzellen dienen dem Nachladen der Batterien und zur Unterstützung des Hauptantriebs. Während der Seepassagen wird zusätzliche Leistung von Diesel-Gensets bereitgestellt. Die geladenen Batterien können dann innerhalb der 12-Meilen-Zone oder ECA-Zonen für einen emissionsfreien Schiffsbetrieb genutzt werden.
Die Wahl des für die Brennstoffzelle verwendeten Treibstoffs beeinflusst maßgeblich den notwendigen Brennstoffzellentyp. Für die Schifffahrt haben sich in den letzten Jahren aus vielen verschiedenen Systemen im Besonderen die PEMFC (Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle) und die SOFC (Oxidkeramische Brennstoffzelle) qualifiziert.
Bei der PEMFC handelt es sich um Niedertemperatur—Brennstoffzellen, die flexibel gestartet und angehalten werden können. Jedoch können diese Systeme direkt nur reinen Wasserstoff verarbeiten. Die Lagerung von diesem in der kommerziellen Schifffahrt findet zurzeit meist in containerisierten Lösungen statt. Dies hat den Vorteil, dass die Betankung der Container ohne Zeitdruck in einer dafür geschaffenen Anlage stattfinden kann. Im Hafen können die Container dann schnell ausgetauscht werden, ohne die Sicherheitsvorkehrungen einer Betankung vor Ort einhalten zu müssen. Der Wirkungsgrad von PEMFC liegt bei etwa 40-60%. Außerdem haben diese Systeme eine zu erwartende Lebensdauer von etwa 5000-10000 h. Nach Ende der erwarteten Lebensdauer kommt es nicht zu einem Systemausfall, sondern zu einem Leistungsabfall, da sich die Membranen auf den sogenannten „Stacks“ lösen. Dies geht einher mit einer Zunahme an benötigter Kühlleistung. Brennstoffzellen sind üblicherweise so aufgebaut, dass die Stacks entnommen werden können und eine neue Beschichtung aufgetragen werden kann. Dies stellt entsprechende Anforderungen an den Entwurf des Schiffes, um die notwendigen Wartungsräume, Hebezeuge und Zugänglichkeiten zu den Stacks herstellen zu können.
Dem gegenüber stehen Hochtemperatur-SOFC, die mittels Reformer auch organische Verbindungen (Erdgas, Methan, …) direkt verarbeiten können. Die Lagerung und Verarbeitung der Energieträger sind hierbei erheblich weniger komplex als für reinen Wasserstoff. SOFC haben einen Wirkungsgrad von 60-70% und eine Lebensdauer von 20000-30000 h. Der Nachteil von SOFC ist, dass diese permanent laufen sollten, um Schäden durch thermische Spannungen zu vermeiden. Entsprechend muss ein kontinuierlicher Betrieb während Liegezeiten in Häfen sichergestellt werden. Hierbei ist der Gesetzgeber in der Pflicht, diese vielversprechende Technologie durch eine angepasste Landstrompflicht zu ermöglichen. Die Ladeinfrastruktur der Häfen sollte perspektivisch aus unserer Sicht nicht nur Energie bereitstellen, sondern auch die Fähigkeit besitzen, überschüssige Energie aufzunehmen. Dies reduziert den technologischen Aufwand an Bord enorm und baut Barrieren (unter anderem bei der Integration von SOFC-Systemen) ab. Die notwendigen Fähigkeiten dieser Netze werden die jetzigen Dimensionen um ein Vielfaches übertreffen, damit eine sinnvolle Energieversorgung der Schifffahrt stattfinden kann.
Aktuell sind 90 % des genutzten Wasserstoffs „graues H2“, welches aus fossilen Quellen stammt. Damit die gesteckten Klimaziele erreicht werden können, müssen dringend Elektrolyseur-Anlagen ausgebaut werden, um grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab herzustellen. Es ist erwartbar, dass weitere Industrien auf diesen wichtigen Rohstoff angewiesen sein werden, was den Bedarf ebenfalls erhöht.
Vorteilhaft ist hier die Nutzung von Ammoniak, da es als Abfallprodukt der Chemie-Industrie ist bereits heute in großen Mengen verfügbar ist. Ammoniak kann nach einem Cracking-Verfahren in einer PEMFC oder ohne Umwandlung in einer SOFC als Brennstoff genutzt werden. Die Lagerung von Ammoniak an Bord gestaltet sich vergleichsweise unproblematisch und findet in gekühlten Niederdrucktanks statt. Die Mindestzündenergie ist deutlich niedriger als bei reinem Wasserstoff. Jedoch ist Ammoniak ein stark toxisches Zellgift, welches auch nach Vermischung mit Wasser noch sehr schädlich für Organismen ist. Sinnvolle Einsatzszenarien sehen wir dort, wo eine Kombination aus günstigen Gegebenheiten und einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept mögliche Risiken auf ein Minimum reduziert. Entscheidend sind dabei Faktoren wie sichere Umweltbedingungen, klar definierte Fahrtgebiete, begrenzte Exposition und der umfassende Schutz von Menschen und Natur.
Da Brennstoffzellen auf Schiffen bisher nur in Kleinserien angewendet werden, müssen die Sicherheitsszenarien in Einzelabnahmen beleuchtet werden. Für unser oben genanntes Frachtschiff haben wir diese Einzelabnahme in Form einer HAZID-Studie mit einer Klassifikationsgesellschaft erarbeitet. Eine europaweit einheitliche Vorschriftenlage, mit der die Planung zielgerichtet und standardisiert durchgeführt werden kann, ist dringend notwendig. Im Jahr 2007 haben wir das weltweit erste H2-Brennstoffzellen-Passagierschiff konstruieren, welches 2008 erfolgreich abgenommen und in Betrieb gebracht wurde. Um die Entwicklung insbesondere in der Vorschriftenlage voranzutreiben, wurde das Projekt mit Forschungsgeldern unterstützt. Außerdem sollten an dieser Stelle regulatorische Hürden abgebaut werden. Leider ist zu vermerken, dass sich die Zulassungsprozedur für solche Systeme seither nur minimal weiterentwickelt hat und dass die Attraktivität aufgrund von notwendigen, teuren Einzelabnahmen klein bleibt.
Neben den Brennstoffzellen sind weitere Technologien auf dem Vormarsch: Die Produktpalette von Methanolmotoren wird durch die Hersteller kontinuierlich erweitert. Vorausgesetzt, dass ausreichend grüner Wasserstoff zur Methanolherstellung verfügbar ist, kann so ein konventionell ausgelegtes Antriebskonzept mit Verbrennungsmotor realisiert werden, welches über die gesamte Prozesskette netto CO2-neutral ist. Diese Systeme werden von der EU nicht als klimafreundliche Systeme im Sinne von Förderrichtlinien betrachtet, wodurch wenig Fortschritte in diesem Bereich zu erwarten sind. Die EU fördert im Rahmen von derzeit aktiven Förderrichtlinien nur Projekte, die nachweislich „zero emission at tail pipe“ vorweisen können. Dies ist bei MEOH-Systemen nicht der Fall.
Die Entwicklungen im Bereich der Batterietechnologie tragen ebenfalls entscheidend zur Transformation der Antriebssysteme bei. Moderne Systeme werden nicht nur immer leistungsfähiger, sondern auch kompakter und leichter, wodurch sich ihre Kapazität kontinuierlich steigert – bei gleichzeitig sinkenden Kosten.
Im letzten Jahr haben wir ein Bunkerschiff entwickelt, welches von genau diesen Fortschritten Gebrauch macht. Das Schiff wird durch die für seine Güter benötigte Fördertechnik großzügig ausgefüllt, wodurch nur noch wenig Platz für Energieträger vorhanden ist. Die volumetrische Effizienz der neuesten Batteriemodule ermöglichte es uns, das Schiff mit einer batterieelektrischen Antriebslösung auszurüsten. Das Fahrprofil des Schiffes erstreckt sich über eine Entfernung von 50 km, welche es komplett emissionsfrei zurücklegen kann. Ausreichend lange Liegezeiten und die gute Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur runden das Schiffskonzept ab.
Mit den deutlich größeren Dimensionen der See- und Küstenschiffe könnte dies eine skalierbare Lösung werden, auch wenn die benötigten Kapazitäten groß sind. Durch die fortschreitende Gewichtsminderung und Kapazitätserhöhung der Module wird der Einfluss auf die Zuladung immer geringer. Die Energiemengen, die für die Propulsion auf einer langen Seestrecke gebraucht werden, machen ein vollelektrisches System nur mit Akkumulatoren derzeit jedoch unrealistisch. Außerdem ist die Ladeinfrastruktur mit entsprechender Leistung auf offenem Meer schlichtweg nicht vorhanden. Ein hybrider Antrieb mit Brennstoffzellen und Batterien ist jedoch durchaus realistisch.
Auf RoRo-Fähren zwischen dem deutschen Festland und Dänemark soll bereits 2025 batterie-elektrische Systeme eingesetzt werden.
Die Wahl des richtigen Energieträgers fällt schwer: Die Entwicklung der Infrastruktur stagniert aufgrund eines fehlenden gemeinsamen Kurses und durch die fehlende Infrastruktur gibt es keinen gemeinsamen Kurs.
Dies hat für Konstruktionsbüros zur Folge, dass der Entwurfsprozess komplexer, zeitintensiver und damit auch teurer geworden ist. Für Reedereien ist diese Situation schwierig: Die Zeiten von universell einsetzbaren Antriebslösungen (Dieselmotoren) sind vorbei, es hat sich jedoch bisher noch keine einheitliche Lösung für jede Anwendung hervorgetan. Für unsere Entwürfe ist dieser Umstand spannend und bedeutet durch den erhöhten Planungsaufwand ein lukratives Geschäft. Die Reedereien, die akut neue Schiffe brauchen, müssen jedoch ein deutlich erhöhtes unternehmerisches und finanzielles Risiko eingehen. Sie zögern daher bei der Beschaffung von Neubauten und hoffen auf neue Entwicklungen technischer und regulatorischer Natur. Für die Konstruktionsbüros halten sich diese Umstände in etwa die Waage: Die Anzahl der Projekte sinkt, der Projektumfang steigt.
Durch diese Umstände erhält die Umrüstung bestehender Frachtschiffe im Binnenbereich immer mehr Aufmerksamkeit. Eine bewährte Methode zur Integration alternativer Antriebssysteme ist der Austausch des gesamten Achterschiffs, welches vorher separat gefertigt und ausgerüstet wird. Diese Methode reduziert den Ausfall der Einsatzzeit des Schiffes erheblich, da es nur zum Austausch der Sektion in Werftaufenthalt geht. Die neuen Systeme werden schon vor dem Umbau betriebsbereit gemacht, sodass sich dieser überwiegend auf das Verschweißen der Sektionen und das Anschließen weniger Leitungssysteme beschränkt.
Diese Art von Umbauten haben wir in den letzten Jahren vielmals begleitet. Mithilfe eines 3D-Laserscans erfassen wir die bestehenden Schiffskörper und entwerfen ein exakt passendes Achterschiff. Neben Ausrüstungsplänen und Stahlzeichnungen lag auch die gesamte maschinenbauliche Auslegung und die Rohrkoordinierung in unserer Hand. Die CO2-Emissionen sind dabei wesentlich geringer als bei einem Neubau, gleichzeitig wird die Lebensdauer der bestehenden Schiffskörper voll ausgenutzt, was Ressourcen spart und die Umweltbelastung weiter reduziert.
Außerdem eröffnen sich vielseitige Möglichkeiten zur Modernisierung und Effizienzsteigerung. Durch hydrodynamische Optimierungen können Widerstände im Wasser erheblich reduziert werden. Strömungssimulationen (CFD) ermitteln optimierte Rumpf- und Propellerformen, welche zu geringerem Kraftstoffverbrauch führen und die Manövrierfähigkeit verbessern. In dieser Phase kann auch die Geräusch- und Vibrationskulisse betrachtet werden. Der Einsatz schallabsorbierender Materialien, verbesserter Lagertechnologien und vibrationsoptimierte Komponenten sorgt nicht nur für einen leisen und angenehmeren Betrieb, sondern reduziert auch den Unterwasserschall.
Darüber hinaus bietet der Umbau die Möglichkeit, das Schiff auf den neuesten Stand internationaler Standards und Vorschriften zu bringen. Dies umfasst beispielsweise die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen (EEXI). Der Austausch des Achterschiffs ist somit nicht nur eine kosteneffiziente Methode, um die Ausfallzeiten zu minimieren, sondern bietet auch umfassende Chancen für technologische und betriebliche Verbesserungen.
Diese modulare Erneuerung der Schiffe birgt enormes Potenzial für die Seeschifffahrt, um den Übergang zu neuen Antriebstechnologien einzuleiten. Aufgrund der Schiffsgrößen könnte es ausreichen, Teilsektionen des Schiffskörpers mit komplexen Systemen vorzufertigen, um den Zeitbedarf für die Integration neuer Antriebstechnologien und Energieträger in bestehenden Schiffen deutlich zu reduzieren.