Der dritte Artikel unserer Serie "Was uns antreibt". Die Artikel sind in der HANSA Zeitschrift, als gekürzter Online Artikel auf der HANSA Website und in voller Länge auf unserer Website zu finden.
Die Entwicklung der Küstenschifffahrt jetzt und in Zukunft - Personentransport und Gütertransport
Der Küstenverkehr bildet auf mittleren Distanzen Verbindungen zwischen Binnen- und Küstenhäfen, auch international. Die Schiffstypen dieses Fahrtgebiets sind vielfältig, was sie in Bezug auf Klimaneutralität besonders interessant macht. Sie unterliegen Herausforderungen und Chancen sowohl aus der Binnen-, als auch der Seeschifffahrt. Die im Küstenverkehr zurückzulegenden Distanzen sind deutlich kürzer als im Seeverkehr, wodurch sich ein breites Feld für den Einsatz alternativer Antriebstechnologien eröffnet.
Für eine große Menge an Elektrifizierungen von Schiffen fehlen in dünn besiedelten Küstengebieten oft leistungsfähige Stromnetze. Für den Einsatz alternativer Kraftstoffe bedarf es einem Ausbau von Bunkerstellen. Der Aufbau der Versorgungsinfrastruktur an strategisch günstigen Punkten wie Häfen, Anlegestellen oder Wartungspunkten für Offshore-Anlagen stellt daher eine zentrale Aufgabe für das zukünftige Planungswesen dar.
Die klassische Schiffsplanung weitet sich zunehmend auf die landseitige Infrastruktur aus.
Schiffbauingenieure und Reedereien müssen immer enger mit Hafenbetreibern, Energieversorgern und Verkehrsplanern zusammenarbeiten, um ein ganzheitlich funktionierendes Konzept zu entwickeln. Dies betrifft Ladeinfrastruktur, Sicherheits- und Umweltstandards für alternative Treibstoffe und die Organisation logistischer Abläufe. Neben dem Entwurf des Schiffes und der Systeme an Bord, treten wir zunehmend als Energieberater für die individuellen Anforderungen und Einsatzprofile auf. Für die Integration emissionsfreier oder emissionsarmer Technologien planen wir langfristige, koordinierte Ansätze über Wasser und Land hinweg.
Die stetige Erweiterung und Vergrößerung von ECA (Emission Control Areas), die auch weite Teile der europäischen Küstengewässer einschließen, bewegt viele Reeder zur Umrüstung ihrer Schiffe. In diesen streng regulierten Gebieten gelten deutlich reduzierte Emissionsgrenzwerte, was dazu führt, dass die Schiffe mit abgasarmen oder komplett emissionsfreien Antrieben betrieben werden müssen. Dies setzt ebenso die Regionen unter Druck, in denen bestehende Infrastrukturen noch nicht bereit sind, emissionsfreie Technologien in der Breite zu versorgen.
Flachwassergängigkeit gewinnt auch in der Küstenschifffahrt an Bedeutung.
In einem vergangenen Projekt durften wir für einen unserer Kunden einen Schlepper entwickeln, welcher in einer solchen ECA operiert. Neben der Konzeptionierung eines emissionsarmen Antriebssystems, lag ein besonderes Augenmerk auf dem geringen Tiefgang des Schiffes.
Klimabedingte Wetterextreme führen zunehmend zu stärkeren Sturmfluten, was Sedimentablagerungen in tidebeeinflussten Gewässern und Flussmündungen verstärkt. Diese Entwicklung betrifft nicht nur den Schiffsverkehr der Küste, sondern auch Fährverbindungen in angrenzenden Bereichen.
Ein Lösungsansatz allein über geringe Tiefgänge reicht in vielen Fällen nicht aus. In einem aktuellen Projekt zur Erneuerung einer Autofährverbindung, entwickelten wir für unseren Kunden eine Fähre, die mit ihrem Antriebssystem die Fahrrinne während des Betriebs gezielt freispült. Mit der Spülwirkung des Antriebs, der aus zwei Zykloidalpropellern besteht, wird sich anreicherndes Sediment effizient aus dem unmittelbaren Fahrbereich verdrängt. So bleibt die Verbindung langfristig ohne externe Maßnahmen befahrbar.
Die Batterietechnik wird ein zentrales Element der Küstenschifffahrt.
Auf kürzeren Distanzen und bei getaktetem Personenverkehr sind Batteriesysteme hoch im Kurs. Gerade der Preisverfall auf Zellebene in der LFP-Chemie lässt große Batteriespeicher immer attraktiver werden. Für Küstenschiffe mit kurzen Ladezeiten sind jedoch Einrichtungen mit Ladeleistungen im Megawattbereich nötig. In ländlichen Regionen an der Küste gestaltet es sich jedoch meist schwierig, solche Leistungen bereitzustellen.
Eine mögliche Lösung für das benannte Problem sind Pufferbatterien an Land, die konstant mit dem zur Verfügung stehenden Strom geladen werden – auch während das Schiff unterwegs ist. Sobald das Schiff anlegt, kann die elektrische Energie in kurzer Zeit mit hoher Leistung an den Speicher an Bord übergeben werden. Die Verluste in einem solchen System sind im Vergleich zur „klassischen“ Ladeeinrichtung nicht unerheblich, sind jedoch wirtschaftlich abzufangen. Diese Lösung lässt sich im getakteten Verkehr auch dazu verwenden, Gewicht an Bord des Schiffes einzusparen und einen Teil der Batteriekapazität während des Ladevorgangs an Land zu lagern. Für eine unserer Kernkompetenzen – den Entwurf von flachwasserfähigen Schiffen – ist dieses Konzept hochinteressant.
Weitere Strecken sind nur mit zusätzlichem Energieträger möglich – Wasserstoffderivate sind auf dem Vormarsch.
Küstenschiffe, die längere Distanzen überbrücken müssen, sind auf zusätzliche Kraftstoffe als Energieträger angewiesen. Die alternativen Treibstoffe mit einer wirtschaftlichen Logistikkette an Bord zu bringen, ist eine dauerhafte Herausforderung, die wir in der Konzeptionierung berücksichtigen müssen. Zusätzlich wird es durch die geringe Energiedichte der alternativen Kraftstoffe immer wichtiger, die bestmögliche Effizienz mit der Rumpfgeometrie zu erzielen. Hier treffen wir schon in frühen Konzeptphasen mit CFD-Simulationen genaue Prognosen zum Energieverbrauch.
Eine Besonderheit stellen Fahrzeugfähren dar, auf denen sich Energieträger so auslegen lassen, dass sie in Form von Ro-Ro-Einheiten innerhalb weniger Minuten austauschbar sind. Lose Tanks oder Akkumulatorsätze können mit wenig zusätzlicher technischer Ausrüstung an Bord und in Betrieb gebracht werden.
Unter den alternativen Kraftstoffen zeichnen sich wasserstoffbasierte Energieträger als Vorreiter ab. Insbesondere flüssige Wasserstoffderivate wie Ammoniak und Methanol finden immer mehr Verwendung, da sie Vorteile bei Transport, Lagerung und Einsatz an Bord bieten.
Reiner Wasserstoff ist im Handling an Land und auf dem Schiff vergleichsweise kompliziert und der Bunkervorgang ist langwierig. In einfachen Strukturtanks im Schiffskörper würde H2 trotz spezieller Materialien als kleinstes Atom nach und nach in den umliegenden Raum diffundieren, was bei einer Lagerung in Unterdecksräumen für hohe Sicherheits- und Belüftungsstandards sorgt. Für die Binnenschifffahrt durften wir bereits Transportschiffe realisieren, die mit an Deck gelagertem, containerisiertem Druckwasserstoff mit Brennstoffzellen betrieben werden. Der Containeraustausch kann mittels der üblichen Containerbrücken durchgeführt werden und ist entsprechend zügig erledigt. Den Technologietransfer von Binnen nach Buten sehen wir realistisch und halten eine solche Technik für Feeder und Küstenmotorschiffe für geeignet.
Nicht alle Schiffe eignen sich für modulare Tanks – Containerisierte Lösungen schränken Platz und Anordnungsmöglichkeiten ein. Sind diese Parameter stark begrenzt, muss auf feste Tanks und Wasserstoffderivate zurückgegriffen werden. Seit unserem ersten Einsatz alternativer Antriebssysteme auf einem Fahrgastschiff in 2006 fällt auf, dass deren Platzbedarf und Lagerung an Bord durch immer strengere und spezifischere Regularien stetig steigt. Dies kann zu einer starken Einschränkung der Beladungskapazität der Schiffe führen.
In der Seeschifffahrt zeichnet sich zurzeit ein Trend zu Ammoniak als „Energieträger der Zukunft“ ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig - Ammoniak ist großflächig verfügbar, entsteht als Abfallprodukt vieler chemischer Prozesse und es existieren skalierbare Lieferketten für die Versorgung von großen Schiffen. Es gibt jedoch hohe Sicherheitsanforderungen für das Handling von Ammoniak auf Schiffen. Im Notfall muss es über hohe Abluftmaste in die Atmosphäre abgelassen werden. Die Anforderungen beziehen sich jedoch zumeist nur auf die Sicherheit der Schiffsbesatzung - In Küstennähe sollte jedoch auch der Einfluss auf die unmittelbare Umgebung betrachtet werden.
Methanol ist einer der vielversprechendsten Energieträger auf den längeren Strecken der Küstenschifffahrt. Zwar neigt dieser Treibstoff zur Bildung von explosiven Atmosphären, jedoch sind die Risiken technisch eingrenzbar. Da Methanol eine kleinere Toxizität aufweist als Ammoniak, unterliegt der Einsatz als Treibstoff im Vergleich weniger strengen Vorschriften. Außerdem sind lokale Feinstaubemissionen bei einer Verbrennung geringer, was besonders in Küstennähe (ECA) ein wesentlicher Faktor sein kann.
Methanol kann sowohl in Verbrennungsmotoren als auch in Brennstoffzellen (nach einem Reformer-Prozess) eingesetzt werden. Diese Flexibilität erlaubt uns im Entwurf, aus verschiedenen Energiekonzepten und Umbaustrategien für heutige Schiffe die beste Auswahl zu treffen. Gerade in der hybriden Verwendung mit Batterien können die Motoren oder zukünftig auch Brennstoffzellen in einem effizienten Betriebspunkt gefahren werden.
Segel- und Windkrafttechnik senkt Treibstoffverbrauch moderner Küstenschiffe.
Zusätzlich gibt es verschiedene Ansätze, den Wind als Antrieb in der Berufsschifffahrt wiederzubeleben. Durch die Abhängigkeit vom Wetter ist Windkraft als alleiniger Antrieb für die eng geplanten Lieferketten oder den getakteten Personenverkehr allerdings eher unrealistisch. Auf bestimmten Routen können zusätzliche Antriebsorgane aber den Vortrieb des Schiffes mit dem Wind unterstützen. Diese reichen von Rotorsegeln (Flettner-Rotoren) über faltbare und klappbare Segel bis hin zu großen Kites.
Der Einsatz eines einzigen Rotorsegels sorgt derzeit nachweislich für eine Treibstoffeinsparung von bis zu 5% bei seitlich einfallendem Wind. Solange die Stabilität der Schiffe ausreicht, sind Rotorsegel ohne manuelle oder komplexe Vorbereitungsarbeiten im Schiffsbetrieb gut integrierbar. Für eingeschränkte Durchfahrtshöhen werden mittlerweile sogar klappbare Rotorsegel hergestellt.
Emissionsarme Küstenschiffe sind der Schlüssel für einen umweltfreundlichen trimodalen Verkehr.
Zur Senkung der Emissionen wird in der Binnenschifffahrt als Grundlage für den Erhalt von Fördergeldern für Modifikationen an Bestandsschiffen der „Energy Efficiency Operational Indicator“ (EEOI) herangezogen. Um eine Förderung zu erhalten, muss der EEOI nach einer Umrüstung des Schiffes die Hälfte des Referenzwertes eines LKWs betragen. Dies ist selbst ohne den Einsatz von alternativen Treibstoffen möglich. Dies zeigt, wie wichtig es im trimodalen Verkehr ist, die unterschiedlichen Verkehrsträger unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Stärken einzusetzen: Binnen- und Küstenschiffe haben eine hohe Kapazität, der Transport auf der Schiene ist schnell und der Transport mit LKW sorgt für eine flexible Güterverteilung zu den Zielorten.
Eine Studie des BMDV zeigt auf, dass die Auslastung des Schienennetzes in vielen Bereichen, auch im Zielnetz 2030, noch sehr hoch sein wird. Eine zukünftige Umverteilung von Gütern von der Straße auf die Schiene wird auf letzterer somit schnell zu einer Überlastung führen. Es liegt also nahe, die großen, mit der Eisenbahn transportierten, Gütermengen zur Entlastung des Schienennetzes per Direktumschlag auf Schiffe zu transferieren. So können die Güter unter kleinem Treibstoffaufwand pro Tonne transportiert werden. Unter Einsatz von alternativen Antriebssystemen bzw. Treibstoffen verschiebt sich der ermittelte EEOI bzw. der EEDI (für Binnenschiffsneubauten aktuell in der Entwicklung, für Küsten- und Seeschiffe bereits etabliert) als Wert für die Umweltfreundlichkeit eines Verkehrsträgers immer weiter zugunsten des Transports per Schiff. Um einen emissionsarmen Verkehr zwischen Binnenland und Küstenregionen zu ermöglichen, muss die durchgehende Verfügbarkeit der verwendeten Treibstoffe sichergestellt werden.
CO₂-Carrier: Neue Küstenschiffe zum Erreichen der Klimaziele.
Für die Großindustrie, bei welcher punktuell ein großer Schadstoffausstoß entsteht, haben sich in den letzten fünf Jahren CO₂-Transportschiffe von einer Nischenanwendung zu einem strategischen Bindeglied moderner „Carbon Capture and Storage“-Logistikketten entwickelt.
Während früher nur kleine Drucktanker für die Lebensmittel- und Chemieindustrie betrieben wurden, entstehen heute Küsten- und Hochseeschiffe mit 7.500–50.000 m³ Ladekapazität, ausgelegt für den Transport von verflüssigtem CO₂ bei etwa –50 °C und 6–7 bar. Diese Schiffe verbinden Abscheidungsanlagen an industriellen Emissionsquellen mit zentralen Exportterminals, Offshore-Speichern oder CO₂-Weiterverarbeitungsanlagen. Hierdurch können jährlich Millionen Tonnen CO₂ der Atmosphäre entzogen und ein messbarer Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet werden.
Für eine möglichst große Flexibilität im zukünftigen Transport sollten möglichst weite Strecken auf der Binnenwasserstraße auch durch in Küstengebieten operierende Schiffe abgedeckt werden können. Dazu bedarf es der Beseitigung organisatorischer Hürden, zum Beispiel der Notwendigkeit unterschiedlicher Patente für Binnen- und Seezonen und deren Trennung anhand historischer, aber mittlerweile überholter oder unlogischer Grenzen. Zusätzlich bedarf es der Entwicklung neuer Küstenmotorschiffe, die durch kleine Tiefgänge in der Lage sind, den Güterverkehr auch bei Niedrigwasser in den Flüssen aufrecht zu erhalten.
Im Vergleich zu einem reinen Binnenschiff steigen die Anforderungen an die Festigkeit und auch die Antriebsleistung, da die Küstenmotorschiffe auch unter Einwirkung von Seegang verkehren. Unter Nutzung von direkten Berechnungsmethoden für die Stahlauslegung können wir hier durch die Optimierung des Verhältnisses zwischen Leerschiffsmasse und Zuladung einen wichtigen Beitrag zur bedarfsgerechten Modernisierung der Küstenflotte leisten.
Die Entwicklung eines zukunftsfähigen Schiffes fordert eine Abkehr von Einzellösungen - Eine branchenübergreifende Entscheidung für einen Antriebsträger ermöglicht ein verlässliches Wachsen der Infrastruktur. So kann der Verkehrsträger Schiff im trimodalen Modell sein volles Potenzial entfalten und maßgeblich zum Erreichen der Klimaschutzziele beitragen. Werden die spezifischen Anforderungen des Küsten- und Binnenmarktes vereint, kann die Vision eines übergreifenden und umweltfreundlichen Verkehres Realität werden.